Das Foto zeigt einen Mann mittleren Alters in einer Diskussionshaltung mit nachdenklichem Gesichtsausdruck. Er trägt eine Brille mit einem auffälligen runden, rotbraunen Rahmen und ist formell mit einem gestreiften Hemd und dunklem Anzug gekleidet. Seine Gestik und Mimik lassen darauf schließen, dass er gerade spricht oder einen Punkt in einer Diskussion unterstreicht.
26
Apr

Georg Parlow zum Thema „Offenheit und Schattenarbeit“

Lernen Sie Georg Parlow kennen. Er gilt als international anerkannter Experte in Hochsensibilität und wird dazu auch einen Vortrag am 09.06.2024 um 10:15 Uhr halten. Am Freitagnachmittag von 16:00 Uhr bis 18:00 Uhr gibt er einen Workshop zum Thema Schattenarbeit und hat für Sie einen Text verfasst zum Thema „Offenheit und Schattenarbeit“.

Offenheit und Schattenarbeit 

Was sind „Schatten“? 

Schatten sind ein zentraler Teil des Mensch Seins. Schatten waren maßgeblich daran beteiligt die Menschheit und die Welt in der wir leben zu entwickeln und zu gestalten. 

Schatten sind im Grunde Fähigkeiten, Talente, Ressourcen, Strategien. Schatten sind die Formen die unser Potential fast unweigerlich annimmt, wenn wir uns als abgetrenntes, unverbundenes Einzelwesen erleben. Dazu gehören auch die meisten Handlungen, die oberflächlich betrachtet aussehen wie Selbstverantwortung oder Selbstliebe. Denn ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, wir sind tief im Kollektiv verwurzelt, und wenn wir unsere Wünsche auf Kosten anderer Menschen erfüllen, also anderer Teile des Kollektivs dadurch schädigen, verletzen wir unsere Wurzeln, verletzen wir uns selbst.

Die Alternative zum Schattendasein – nämlich das Leben im Licht – erleben wir dann, wenn wir uns sicher und liebevoll verbunden fühlen. Wer sich eingebettet erlebt in ein größeres Ganzes – eine Familie, Sippe oder andere Gemeinschaft – hat keine Motivation sich auf Kosten anderer Mitglieder Vorteile zu verschaffen. Wer in jedem Menschen einen Bruder oder eine Schwester sieht führt keine Kriege. Wer in mystischer Weise bewusst das Planeten umspannende biologische Leben, dieses aus unzähligen Einzelkörpern zusammen gesetzte Meta-Wesen, wahrnehmen und sich selbst als ebenso winzige wie einzigartige Erscheinungsform dieser Natur erkennen kann, wird keine ökologisch bedenklichen Entscheidungen treffen.

Trauriger Fakt ist jedoch, dass Verbundenheit ein rares Gut ist, speziell in Kombination mit Freiheit. Ich spreche hier nicht von symbiontischen Paarbeziehungen, sondern von respektvoller, liebevoller Verbundenheit, für die keine der beteiligten Personen die Eigenständigkeit aufgibt. Das ist so selten, dass ich mich sagen traue, dass nahezu alle Menschen nahezu immer mit ihren Schatten konfrontiert sind und sie für gewöhnlich auch ausleben.

Deshalb haben wir Gesetze, Polizei und Gerichte, um zumindest eine Art pseudo-verbundenes Verhalten zu gewährleisten. Diese Regulierung funktioniert vor allem so, dass die destruktiven Energien verinnerlicht werden, und dort zu allerlei Problemen der körperlichen oder psychischen Gesundheit führen können. Die milderen, nicht institutionalisierten Formen der gesellschaftlichen Reaktion auf unser aller Schatten bestehen aus Liebesentzug, sozialem Druck und Ausgrenzung bis hin zur Ächtung. Dies alles wurzelt ebenfalls im Schatten, im kollektiven Schatten. 

Die meisten, wenn nicht sogar alle spirituellen Traditionen tragen das Potenzial in sich, Menschen aus der gefühlten Vereinzelung in die Verbundenheit zu führen. Weil dieser Ansatz in Einzelfällen wirklich funktioniert, würde ich ihn gerne empfehlen. Wären da nicht die allgegenwärtigen Schatten der Praktizierenden aller hierarchischen Ebenen, die immer neue Religionen daraus machen mit Regeln, Verboten, Zwängen, Einschüchterung und was die schwarze Pädagogik sonst noch so alles zu bieten hat. Dadurch wird dieser Weg zum Glücksspiel bzw erfordert viel Achtsamkeit und Urteilsvermögen.

Der wissenschaftliche Weg zur Überwindung der Schatten versucht mangelndes Bewusstsein durch Wissen auszugleichen. Das kann bei reflektierten Menschen ein Stück weit funktionieren, solange der Stresslevel niedrig ist. Den jüngsten Ansatz dieser Art können wir in der Ökologiebewegung sehen. Leider werden auch dort Informationen und Bildung in den letzten Jahren zunehmend ergänzt mit Indoktrination und Angstmache. Das ist kontraproduktiv, weil es Gefühlen von sicherer Verbundenheit entgegen arbeitet.

Angst und Stress sind nämlich Einladungen in den Schatten zu gehen. Es sind mächtige Aufforderungen, denen die meisten Menschen in den meisten Fällen nicht widerstehen.

Die Art und Weise der vorbeugenden und nachhaltigen Schattenarbeit, die ich mir aus verschiedenen Quellen angeeignet und entwickelt habe ist spielerisch, nachsichtig und liebevoll, humorvoll. Doch nicht nur, denn sie hat mit Heilung zu tun, mit dem Schließen des Spaltes zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Somit hat es etwas mit Loslassen zu tun, mit Ent-Täuschung im besten Sinne des Wortes, und das kann weh tun. Es ist trotz Humor und Leichtigkeit ernsthafte innere Arbeit.

Ich werde mich in meinem Workshop nicht theoretisch damit auseinander setzen, wo die Schatten herkommen oder wie sie von Generation zu Generation weiter gereicht werden. Ich werde einen praktischen Ansatz beleuchten, einen Ausweg aus dem Schatten Kreislauf aufzeigen, oder zumindest in die Richtung weisen, in der meiner Erfahrung nach ein solcher Ausweg aus dem gefangen Sein in den Schatten liegt. Gehen muss jede:r den Weg selber.

Vielleicht noch ein paar motivierende Worte. Sich mit den eigenen Schwächen und unschönen Verhaltensweisen zu konfrontieren kann durchaus herausfordernd sein. Die gute Nachricht ist jedoch: ein Teil der von uns beobachteten unangenehmen Eigenschaften und für uns belastenden Verhaltensweisen unserer Mitmenschen sind klassische Projektionen. Oder anders gesagt – was wir an uns ablehnen und nicht sehen wollen, das sehen und erleben wir im Außen. Für mich und für die überschaubare Menge an Menschen, die ich bis jetzt in dieser Arbeit begleiten durfte war es deshalb so, dass jeder Schritt der Integration der eigenen, ungeliebten Anteile mehr Lebensqualität brachte. Mehr Selbstliebe und mehr Ressourcen im Inneren, weniger Widerstand, weniger Konflikte, und rücksichtsvollere Zeitgenossen im Außen. Mehr Verbundenheit und mehr Freiheit.

Und noch etwas will ich hier einbringen, als Mutmacher sich auf unangenehme Gefühle einzulassen. Es ist eine Erkenntnis die ich vor wenigen Jahren in eigener Betroffenheit machen durfte, und die ich speziell in der Arbeit mit Menschen mit stark verletztem Selbstwertgefühl wiederholt bestätigt fand. 

Schuld- und Schamgefühle, diese ungeliebten weil unangenehmen und oft zu Zwecken der Manipulation missbrauchten Emotionen, sagen nichts über unseren Wert als Mensch aus, enthalten jedoch wichtige Informationen über Werte an sich. Wenn wir uns vor jemandem schämen (damit meine ich das Gefühl wenn wir uns im Bezug auf jemanden unwürdig fühlen), dann ist das eine völlig neutrale Rückmeldung unseres Unterbewusstsein, dass wir uns mit einer Aussage oder Handlung von uns in Konflikt sehen mit einem oder mehreren Werten diese Person, und dass wir mit dieser Person in Verbindung sein wollen bzw von ihr anerkannt werden wollen. Scham hat somit nur etwas mit unserem Image und unseren sozialen Bestrebungen zu tun. Nicht mehr und nicht weniger.

In ähnlicher Weise, wenn wir uns schuldig fühlen (damit meine ich dass wir uns vor uns selbst unwürdig oder minderwertig fühlen), so ist das schlichtweg die Rückmeldung unseres Unterbewusstseins, dass wir mit Gedanken, Worten oder Taten einen oder mehrere unserer EIGENEN Werte verletzt haben. Das größte Problem dabei ist meiner Meinung nach, dass viele Menschen die Werte, die sie ursprünglich im Zuge des Aufwachsens von Eltern, Lehrer:innen, TV, Peergroup etc. übernommen haben, als Erwachsene nie bewusst reflektiert, geändert oder aussortiert haben. 

Beim Auftreten eines Schuldgefühls bietet es sich an das nachzuholen. Zuerst gilt es, die problematische Aktion und den dadurch verletzten Wert zu finden. Sobald wir den Wert, den wir zuvor verletzt haben, gefunden haben, können wir uns die Frage stellen ob wir diesen Wert nach wie vor gut finden und behalten wollen, oder nicht. Falls wir zu diesem Wert nicht mehr stehen, ihn nicht mehr adäquat finden – aufgeben! weg damit! (Zur Erinnerung: unsere Werte sind ja keine Abstrakte, sonder freiwillig eingegangene Verpflichtungen zu bestimmten Handlungen. Ist zum Beispiel Gerechtigkeit für uns ein hoher Wert, so heißt das sinngemäß de facto „ich trete ein für Gerechtigkeit“, etc).

Wenn wir den von uns missachteten Wert jedoch behalten wollen, dann führt kein Weg dran vorbei, unser Versagen einzugestehen, unser Selbstbild zu korrigieren, uns dem Wert neu zu verpflichten und uns in unserer Begrenztheit und Menschlichkeit liebevoll anzunehmen.

Und damit sind wir bereits mitten in der anlassbezogenen Schattenarbeit. Die vorausschauende Variante dieser Arbeit ist spielerischer und kreativer. Es braucht in jedem Fall Demut und Erwachsenheit, um in der Wirklichkeit anzukommen. Und in dieser Wirklichkeit, in der nüchternen Magie des Hier und Jetzt ist die Verbundenheit zuhause, und die Freiheit.

Schattenarbeit braucht somit eine Menge an Offenheit – für die eigene Begrenztheit, für das eigene Versagen, für die dunkle Seite der eigenen Psyche, für die sprichwörtlichen Leichen im Keller. Und sie bringt Schritt für Schritt Offenheit, gelebte und erlebte Offenheit in einem Leben im Licht, mit Gefühlen von Freiheit, Leichtigkeit und Verbundenheit.