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Okt

Das Leben lieben – was heißt das? Interview mit Prof. Dr. Barbara von Meibom

Das Leben lieben – was heißt das? Mit Prof. Dr. Barbara von Meibom, Leiterin des CommUnio Instituts für Führungskunst in Berlin.   Am 20.09.2022 führte Dr. Joachim Galuska ein Interview mit Prof. Barbara von Meibom. Wir stellten ihr unter anderem die Frage: Liebst du das Leben? Eine schwierige Frage, denn wie liebt man das Leben? „Das Leben zu lieben muss man lernen und dies dauert. Ich bin immer noch im Prozess“, sagte Prof. Dr. Barbara von Meibom. In diesem Prozess habe ich das „Leben als Überleben“ gelebt, ergänzte sie. Ihr Leben bezeichnete sie als „Hindernislauf des Lebens“, was nicht immer einfach ist, sondern sogar sehr anstrengend sein kann. All dies geschähe mit dem Ziel im Jetzt anzukommen und lebendig zu sein. Von Meibom formuliert auf metaphorischer Ebene: „Auf dem Totenbett möchte ich spüren dürfen, dass ich nicht nur gelebt, sondern geliebt habe.“ Allerdings fällt es uns Menschen im Leben schwer, so durchlässig, so verwundbar zu sein, dass wir die Liebeskraft, die in jedem steckt, auch zeigen und leben können. Doch genau diese Liebe ist der Schlüssel zum Leben lieben und vor allem der Schlüssel zu Barbara von Meiboms persönlichem Ziel: die Liebende zu werden, die sie schon immer war. Wie schon im Barock vergleicht Barbara von Meibom das Leben mit einem großen Welttheater. Als eine uns von Gott gegebene Bühne, ist das Leben der Ort an dem wir uns in unseren verschiedenen Rollen beweisen müssen und lernen müssen, mit dem Leben umzugehen. Das Leben ist ein Angebot für Erfahrung, die sich im seelisch-geistigen widerspiegelt und manifestiert. Das heißt, Konfrontationen im Leben sind wichtig, denn man muss sich selbst erfahren. Ein Problem, das laut Barbara von Meibom in Angriff genommen werden muss, ist, dass wir uns dem Leben entfremden, indem wir uns geistig von der Natur distanzieren und diese in den „Ding-Raum“ schieben. Dabei „sind wir mit allem verbunden“ und in dieses Gefühl der Verbundenheit sollten wir uns hineinbegeben.   Wille und Selbstliebe Doch zurück zu dem „Wie liebe ich das Leben?“–Dilemma. Hierbei bezieht sich von Meibom auf den italienischen Arzt und Psychiater Roberto Assagioli, der zwischen verschiedenen Aspekten des Willens unterscheidet: der starke Wille, der geschickte Wille, der gute Wille sowie der transpersonale Wille. Letzterer, der transpersonale Wille, ist in diesem Fall der Entscheidende, da er auf die Verwirklichung der eigenen Lebensabsicht mit Sehnsucht auf eine tiefere Erfüllung aus ist. Barbara von Meibom zitierte in diesem Zusammenhang einen Vers aus dem Christentum: „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst“, welchen sie in „Liebe das Leben, wie dich selbst“ umformulierte. Dieser einfach gesagte Satz setzt allerdings voraus, dass man sich selbst liebt. Und das gehe nur, wenn man sich vom Leben getragen fühlt, so Prof. Dr. Barbara von Meibom. Dafür müsse man akzeptieren was ist und Frieden mit der inneren und äußeren Natur schließen. Allerdings falle uns das oft schwer, da wir im Anthropozän leben, einem Zeitalter in dem der Mensch als eine Spezies einen solchen Einfluss auf den Planeten hat, dass die Verantwortung der Zukunft dieses Erdsystems eindeutig uns Menschen zugeordnet werden kann. Diese Haltung ist so tief in uns verankert, dass wir den Menschen zum Zentrum machen und damit sozusagen die Basis auf der wir existieren dürfen, zerstören. In unserer Verfassung steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Meibom gibt an, es solle „die Würde der Schöpfung ist unantastbar“ heißen.   Verzeihen Ein weiterer großer Schritt zu innerem Frieden ist, sich selbst und anderen zu verzeihen. Genauso wichtig ist, dass einem verziehen wird. Nachdem man um Verzeihung gebeten hat, liegt die Entscheidung ob diese gewährt wird, allerdings ganz bei dem Gegenüber, sagte von Meibom. Obwohl es dann nicht mehr die eigene Entscheidung ist, ist es doch eine Belastung sich in der Schuld zu fühlen. Diese Last kann bestehen bleiben, selbst wenn einem verziehen wird. Daher ist es so von Bedeutung sich selbst zu verzeihen. Andersrum ist auch nicht außer Acht zu lassen, was es mit einem macht, wenn man anderen nicht verzeiht. Denn innere Wut und Hass, nachdem einem Unrecht zugefügt wurde, beeinträchtigen die Lebensqualität jeden einzelnen Tag. Ein aktuelles Beispiel sind die Corona-Maßnahmen, die in vielen Menschen den Gedanken „uns wird Unrecht angetan“, auslöst. Doch auch wenn man sich auf der kollektiven Ebene manchmal dazu verpflichtet fühlt, keine Verzeihung zu gewähren und den gesellschaftlichen Standpunkt mit hoch erhobenem Kopf, stur zu vertreten, kann es für einen selbst eine große Erleichterung sein, diesen inneren Groll loszulassen, der die Situation nur noch verschlechtert. Wir müssen lernen uns im Konflikt ausdrücken zu können, denn wir haben keine Streitkultur, keine Rituale des Streitens und keine Vorstellung von einem gemeinsamen tragenden Grund. Denn dieser tragende Grund sei größer als bloß wir im westlich Teil Europas, so Barbara von Meibom. Das sind wir alle, die ganze Menschheit, aber auch die ganze Natur. Das komplette, kostbare Leben ist der Grund, den wir einfach nicht spüren und uns somit auch nicht dafür einsetzen können. Uns fehlt die Ehrfurcht vor dem Leben. In dem Sinne können wir viel von indigenen Völkern lernen, die eine solche Ehrfurcht vor der Natur und dem ganzen Leben tagtäglich praktizieren.   „Der Glaube an die Möglichkeit der Liebe als ein gesellschaftliches Phänomen und nicht nur als eine individuelle Ausnahmeerscheinung, ist ein Glaube, der sich auf die Einsicht in das wahre Wesen des Menschen gründet.“     – Erich Fromm (Psychoanalytiker)  

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